Mittwoch, 8. September 2010

Die soziale Komponente fehlt heutzutage einfach.

Ein Gastbeitrag eines Bekannten, ich selbst habe davon keine Ahnung und damit auch gar nichts zu tun gehabt.

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Gerade beim Stöbern gefunden: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13499780.html

Während man als heutiger "Raubkopierer" ganz schnöde ein torrentfile im Hintergrund abarbeiten lässt oder auf den Link bei einem Share-Hoster klickt, manchmal noch in den Tiefen irgendwelcher Boards nach dem richtigen Passwort sucht, war das früher, so vor 20 Jahren, noch völlig anders. Das lief nicht anonym ab - obwohl nie jemand einen Namen abseits von Spitzname oder "Kampfname" wissen wollte - sondern war geradezu ein sozialer Akt. In voller Öffentlichkeit.

Man traf sich nämlich gleich persönlich im nagelneu eingerichteten Computerkabinett der örtlichen VHS jeden Dienstagabend um 19 Uhr, um die neuesten Errungenschaften der internationalen Spieleindustrie zu bestaunen. Und dank Cracker-Gruppen zu teilen.

Im bullig geheizten Raum standen acht Amiga 2000 samt PC-Erweiterungskarten bereit, mancher brachte seinen eigenen 500er im Stoffbeutel mit, der mit würmeligen Adaptersteckern an den RFT-Farbfernseher angeschlossen wurde und regelmäßig das Farbsignal verlor. In der Ecke lungerten meistens 2-3 "technologische Unterschichtler" an ihrem C64 und wedelten mit ihren klobigen 5,25" Floppys herum, während "wir" den Komfort der ultramodernen 3,5"-Diskette genossen. Irgendeiner brachte es schließlich auch immer fertig, den PC-Teil eines der dortigen Amiga2000 zu booten, indem er das "Janus"-Programm auf dem Workbenchdesktop bootete und dann irgendein geistlos umgesetztes EGA-Spiel auf 1,2MB-HD-Floppy kopieren zu wollen. Atari ST oder so kamen hier Gegend scheinbar nicht vor - gut so :)

Skid Row, Valhalla, Razor und wie sie alle hießen, die beim Booten mit ihren lustig animierten Entpack- und Patchroutinen die ziemlich ausgefeilten Kopierschutzmechanismen auf den Disketten aushebelten, waren aber unsere Helden. Sie sind der Hauptanschaffungsgrund für ein zweites Floppydrive gewesen. Denn nichts war doofer als beim genialen XCopy immer bei Track 69 von 80 die Quell- und Ziel-Diskette wechseln zu müssen, weil der immerhin auf 1MB ausgebaute RAM bereits voll war. Oder noch schlimmer - jemand brachte eine halbkaputte Diskette "von seinen Quellen" mit, die dann zeitraubend mit dem NibbleCopy-/DeepNibble-Modus ausgelesen werden musste. Und selbst dann war der Erfolg nicht garantiert - ich kenne z.B. keinen damaligen Amigabesitzer hier in der Stadt, der das geniale "Wings" (ein WW1-Actionklassiker von Cinemaware) vollständig durchspielen konnte. Denn immer irgendwann im im Spielverlauf (ich glaube, es war der Mai 1918) rödelte beim Laden der Mission das Floppy auf einer Stelle herum und meldete einen Lesefehler. Das war so nervig, dass ich das Spiel dann einige Zeit später gekauft habe.Genauso "Zak McKracken" und Monkey Island, deren Codetabellen- bzw. Drehscheibenabfrage leider bei uns in der Provinz schon in so einer miserablen Kopierqualität ankamen, dass man sie kaum noch benutzen konnte. Oder erinnert sich noch jemand an den auf 3 A4-Seiten kopierten und dann horizontal zusammengeklebten Techtree von Civilization 1? :)

Jedenfalls gab es Abende, da waren an einem A500 gleich drei externe Floppydrives angeschlossen - "Yo, mach mir davon auchmal ne Kopie." Der Bedarf an Disketten schien unersättlich, mehr als jede zweite Mark des Taschengelds, des Ferienjobs und Weihnachtsgelds gingen für die 10er Packs BASF Extra 3,5" 2DD-Disketten drauf (24,95DM). Noname war zurecht verpönt, für die 14,95DM bekam man immer mindestens 3 kaputte Disks im Pack.

Während man auf die "bespielten" Disks wartete, vergnügte man sich bei einer Runde "F16 Falcon", "Turrican" oder "IK+". Die "Competition Pro"-Joysticks quietschten also fröhlich vor sich hin, während im Hintergrund die Laufwerke rödelten.

Hachja....

Oder erinnert sich noch jemand an die zahllosen selbstgebauten Tooldisks, die miteinander darum eiferten, die meisten Party-Tools und Utilities auf den 880KB unterzubringen?

Naja, irgendwann 1992 war es leider vorbei, irgendeiner hatte uns verpetzt. Außerdem gab es ja jetzt diesen genialen Softwareverleih ums Eck, dem bei der Rückgabe häufiger mal die "bitte gleich zweimal kopieren"-Anweisungen aus dem Spielhandbuch entgegenfielen. Na und gleichzeitig fing bei uns die Mailbox-Zeit an - 9600 Baud im Mondscheintarif der Telekom, yess! -, dann kam der Compuserve-Einwahlknoten in München - tja, und dann das Internet.

Ungemütlicher, unsozialer Quatsch das Ganze. Hat jemand wiedermal Bock auf ne Kopierparty? :)

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